Für die „ normale, coronafreie Zeit“ hatten die CDU Heuchelheim sowie die Freien Wähler Heuchelheim eine gemeinsame Veranstaltung geplant. Mit dem Behindertenbeauftragten der Stadt Frankfurt, Herr Sören Schmidt, zugleich Gemeindevertreter in Heuchelheim, sollte ein versierter Experte aufs Podium und sich den Fragen aus dem Publikum stellen.

Bedingt durch Corona-Pandemie haben die beiden Fraktionen umgestellt, die Veranstaltung ist in Form eines Interviews durchgeführt worden. Sie ist nun ins Netz gestellt und die interessierten Bürger werden zum Nachlesen ermuntert. Sollten Fragen und Anregungen auftauchen, so können Sie sich gerne unter „mirko.nowotny@web.de“ melden.

Das Interview führten Mirko Nowotny (CDU), Dr. Manfred Ehlers (FW) sowie Bürgermeister Lars Burkhard Steinz.

Manfred Ehlers (M.E.): „ Lieber Sören, wir kennen Dich ja alle- aber könntest Du Dich gerne für das Publikum noch einmal vorstellen?“
Sören Schmidt (Sö.): „Mein Name ist Sören Schmidt, ich bin 49 Jahre alt, komme aus Heuchelheim, bin hier verheiratet und Familienvater. Ursprünglich habe ich mal auf dem R&C-Gelände Industriemechaniker gelernt, später habe ich dann noch die beiden Studiengänge des Maschinenbaus und der Pädagogik absolviert, so dass ich jetzt sowohl Dipl.-Pädagoge sowie Dipl.-Ing. (FH) mit der Fachrichtung Maschinenbau bin.“

Mirko Nowotny (M.N.): „Das ist ja schon eine stattliche Ausbildung. Und wie kam es dazu, dass Du jetzt Behindertenbeauftragter bist?“

Sö.: „Im Jahre 1994 habe ich mit Anfang 20 einen Schlaganfall erlitten. Ich habe mich in den Jahren danach ins Leben zurück gekämpft, aber eine bleibe Behinderung ist trotz aller Reha-Maßnahmen geblieben. Von daher habe ich mich im Rahmen meiner Ausbildung und meines politischen Engagements sehr für die Belange von behinderten Menschen interessiert und bin so langsam in die Aufgabe als Behindertenbeauftragter reingewachsen.“

Lars Burkhard Steinz (LBS): „ Und was ist gerade Deine aktuelle Position? Kannst Du für Belange von Behinderten sprechen?“

Sö.: „Ich war schon die letzten Jahre Behindertenbeauftragter beim Landkreis Gießen. Vor zwei Jahren habe ich ein interessantes Angebot aus Frankfurt erhalten, und seitdem bin ich der Behindertenbeauftragte der Stadt Frankfurt am Main. Dort arbeite ich im Bereich der sog. „Stabsstelle Inklusion“ und bin innerhalb des Dezernates VIII der Dezernentin Frau Birkenfeld zugeordnet.“

M.E.: „Was sind Deine genauen Aufgaben als Behindertenbeauftragter? Was machst du innerhalb Deines Berufsbildes?“

Sö.: „ Ich gebe Stellungnahmen des Behindertenbeauftragten zu kommunalen Bauvorhaben ab. Aktuell ist der behindertengerechtes Umbau aller Bushaltestellen in Frankfurt ein großes Thema- das ist ja eine gesetzliche Vorgabe, die bis zum Jahre 2022 abgeschlossen werden soll. Weiter obliegt mir die Aufsicht über die Bauvorhaben in dem Sinne des Behindertenbeauftragten, ich prüfe ob die erforderlichen DIN-Normen und Bauvorhaben eingehalten werden. Ich bin Geschäftsführer der Frankfurter Behinderten-Arbeits-gemeinschaft (FBAG), betreue die Website „Frankfurt-inklusiv.de“, bin gleichsam der Ombudsmann für alle Anfragen von behinderten Menschen und nehme regelmäßig an „Verkehrs-, Planungs- und Bau- und Sozialausschusssitzungen“ des Stadtparlamentes teil. Im Weiteren verfasse ich im Auftrag des Sozialdezernates Antworten auf politische Anfragen, der im Stadtparlament vertretenen Fraktionen, in Bezug auf das Thema „Inklusion“.

LBS.: „ Ich sehe schon, Dir wird nicht langweilig im Beruf!“

Sö. (lacht): Unter Arbeitsgesichtspunkten und von den Möglichkeiten Einblick in viele neue Bereiche zu werfen, habe ich jedenfalls den Wechsel von der Lahn an den Main nicht bereut!“

M.N.: „ Du hattest vorhin Bauvorhaben in Frankfurt mit Deiner Beteiligung genannt. Das klingt sehr interessant- kannst Du dafür noch ein paar Ausführungen machen, was das alles genau ist?“

Sö.: „Neben den ganzen Bushaltestellen bauen wir gerade für die Stadt den Bahnhof Griesheim um, das ist ein sehr großes Projekt, welches über mehrere Jahre läuft. Für die Verkehrsgesellschaft Frankfurt VGF werden jetzt alle Handläufe an U-Bahn Haltestellen mit taktiler Handlaufbeschilderung - zweierlei Informationen für Blinde -ausgerüstet, einmal in Braille-Schrift, einmal erhaben…Städtebaulich ist der komplette Umbau der Friedberger Landstraße als eine der großen Einfallsstraßen in die Innenstadt interessant, hier werden ja von den vorhanden vier PKW-Fahrspuren aufgrund politischer Beschlüsse zwei Spuren weggenommen und diese werden zu Fahrradspuren umgebaut, was ich auch im Grundsatz begrüße…“

M.N.: „Ich höre hier etwas Skepsis heraus- wie hat sich denn dort die Lage entwickelt?“

Sö.: „ Na ja, leider hat sich die Wirklichkeit nicht dem politischen Wunschdenken angepasst. Durch die Wegnahme der Autospuren ist der Autoverkehr aus Richtung Autobahn/Bad Vilbel nicht weniger geworden, er sucht sich jetzt nur andere Wege- zum Leidwesen der nun betroffenen Anwohner!“

M.E.: „Das ist Frankfurt- aber nun zu unserer Gemeinde. Sprechen wir hier doch einmal die bereits umgesetzten Maßnahmen durch- was sagst Du zu unseren Ampeln im Gemeindegebiet?“

Sö.: Viele der hiesigen Ampeln sind ja an der Aufstellfläche für die Fußgänger mit Rippenplatten und Noppenplatten für die Führung der Sehbehinderten versehen. Das ist schon einmal ein guter Anfang, hier seid Ihr weiter wie viele andere Kommunen. Vergesst aber auch nicht die peripheren Ampel weit draußen in den Industriegebieten!“

LBS.: „Was sagst Du zu unserem Bordstein-Programm, der sukzessiven, behindertengerechten Absenkung aller Bordsteine?“

Sö.: „ Es ist mir völlig bewusst, dass der Austausch aller Bordsteine in den Kreuzungsbereichen und den Einmündungen eine teure Angelegenheit ist- jeder Austausch eines Bordsteins kostet ja runde 1000€! Aber es führt kein Weg dran vorbei, wenn die Straßen-infrastruktur behindertengerecht, seniorengerecht und auch kinderwagengerecht werden soll. Das die Bordsteine hoch und manchmal gar eckig sind, das sind Versäumnisse der Vergangenheit, dafür könnt Ihr nichts, aber Ihr müsst das weiterverfolgen, es sind ja immer noch viele Kreuzungen im alten Zustand.“

LBS.: „ Soviel kann ich versprechen, dass wir das weiter verfolgen, jedes Jahr ein bisschen mehr, aber das hängt natürlich alles sehr an der Finanzierbarkeit… Und wir machen es, dass zwei cm Bordsteinhöhe bleiben, da kommt jeder noch rüber“

M.N.: „ Ich frage jetzt auch einmal aus Sicht der jüngeren Generation, der digitalen Generation: Was heißt Behindertengerecht im Bereich der digitalen Gemeinde?“

Sö.: „ Das ist relativ einfach. Die gemeindliche Homepage sollte barrierefrei gemäß der „WCAG“-Richtlinien sein. Ihr könntet auch einmal über gemeindliche Bescheide in leichter Sprache nachdenken. Oder zumindest ein Beiblatt in leichter Sprache würde schon mal sehr helfen!“

M.N.: „ Man sieht- wir können überall noch besser werden! Da ist noch Luft nach oben!“

M.E.: „Sören, wenn Du mal träumen dürftest- was würdest Du alles in den nächsten Jahren in Heuchelheim umsetzen, ganz ohne Rücksicht auf die Finanzlage?“

Sö.: „Wenn es schon mal so ist, dass ich Vorschläge machen kann- dann hiermit bitte:

  • Das Leitsystem für Sehbehinderte am Alten Rathaus würde ich bis zum Bordstein des Kindergartens Sonnenhaus weiterführen.
  • Das Leitsystem für Sehbehinderte an der Spitz/ an der Umkuhr ist schon recht gut, hier muss nur im Detail verbessert werden.
  • Bei der Neuanlage von Gehwegen besteht immer der Zwiespalt zwischen der Notwendigkeit, dass das Wasser ablaufen muss, und der möglichen Begehbarkeit für Rollis. Bitte achtet darauf dass die Querneigung nie mehr als 2,5% beträgt- alles drüber wird sehr schwer!
  • Für Hörbehinderte wäre es für das Hörverständnis von großem Vorteil, wenn im neuen Sitzungssaal der GVE eine sog. Induktionsschleife eingebaut werden wird, denn dann kann der Schall direkt in die Hörgeräte übertragen werden.
  • In der renovierten Gemeindeverwaltung könnt Ihr Euch ein Farbleitkonzept zulegen, welches vielen Gruppen mit Einschränkungen die schnellere Orientierung erlauben würde.
  • Auch würde es von Vorteil sein, wenn sich die gemeindlichen Jugendpflege mehr inclusive Angebote zulegen würde“

LBS.: „ Das sind ja einige Sachen, die uns garantiert noch die nächsten Jahren beschäftigen werden. Der Bereich der Bushaltestellen, der Bordsteine, der Leitsysteme wird in den nächsten Jahren der Schwerpunkt unserer Arbeit sein!“

M.N.: „ Und wir müssen das allgemeine Bewusstsein voranbringen, dass die Maßnahme geeignet sind vielen Menschen mit Einschränkungen die Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Das ist eine Sache der Gerechtigkeit!“

M.E.: „ Was ich noch wissen wollte- wo steht die Gemeinde aus Deiner Sicht?“

Sö.: „ Natürlich hat Heuchelheim nicht die Ressourcen wie eine Großstadt zur Verfügung, und deswegen geht alles eine Spur langsamer. Aber unterm Strich ist in den letzten Jahren schon viel passiert, und ich kann Euch nur ermutigen den eingeschlagenen Weg tapfer weiter zu gehen!“

LBS, M.E. und M.N.: „ Vielen Dank für das Gespräch!“

Es schließt sich noch eine längere Phase des angeregten Gesprächs zwischen den Diskussionsteilnehmern an, bevor Bürgermeister Lars Burkhard Steinz das Ende der Veranstaltung verkündet.

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